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27.02.2017 (Mo.)
Ein Gedicht aus meiner geplanten Anthologie der chinesischen Dichtung
(keine endgültige Form):
Lĭ Shāngyĭn: Sòng Zhēnshī èrshŏu
李商隱、送臻師二首
昔去靈山 非佛席 (1)
今來滄海 欲求珠
楞伽頂上 清涼地
善眼仙人 憶我無
苦海迷途 去未因
東方過此 幾微塵 (2)
何當百億 蓮華上 (3)
一一蓮華 見佛身
Xī qù líng shān, fēi fú xī
Jīn lái cāng hăi, yù qiū zhū
Léngjiā dĭng shàng, qīng liáng dì
Shàn yăn xiān rén, yì wŏ wú
Kŭ hăi mí tú, qù wèi yīn
Dōng fāng guò cĭ, jĭ wēi chén
Hé dāng băi yì, lián huā shàng
Yī yī lián huā, jiàn fó shēn
Quelle: Quan Tangshi 6176.
Anmerkungen:
(1) Statt 佛 (fó, Buddha) wird auch 拂 (fú ) geschrieben
(2) Statt 方 (fāng, Richtung) wird auch 遊 (yóu, reisen, sich vergnügen) geschrieben
(3) Statt 億 (yì, hundert Million) wird auch 憶 (yì, sich erinnern) geschrieben.
→ Ein Beweis, dass man selbst im alten China Schwierigkeiten mit der Deutung des Textes gehabt haben muß.
Das Gedicht ist nicht datiert. Es entstand wahrscheinlich während Li Shangyins Aufenthalt in Sichuan zw. 851-855.
Die Identität des Priesters Zhen ist vollkommen unbekannt.
Lingshan 靈山 ist mit dem Berg 靈鷲山 Lingjiushan in Indien identisch. Dort soll Buddha seine Lehre verkündet und Faxien am Anfang des 5. Jahrhunderts übernachtet haben.
Lengjia 楞伽: Lankā (= Ceylon), wo Buddha erschien.
Ich gebe dem Priester Zhen das Geleite
(Rohübersetzung)
Früher verließ ich den Geisterberg, ohne einen Sitz vor Buddha zu haben.
Jetzt komme ich zum blauen Meer und möchte die Perle finden.
Auf dem Gipfel von Lankā, in dem reinen und kühlen Ort
würden sich die gütigen Unsterblichen an mich erinnern?
Damals hatte ich keinen Grund, mich im Meer von Leid zu verirren. [1]
Im Osten war ich in diesem Ort - einige winzige Staubkörner.
Wann werde ich auf den unzähligen Lotusblüten,
auf jeden Lotusblatt den Körper von Buddha zu sehen bekommen?
[1] Eine andere Deutung:
Die Menschen verirren sich auf dem Irrweg im Meer von Leid
wegen der Ursachen aus der Vergangenheit und in der Zukunft.
© Dr. Hankó